Eiweiß im Cocktail: Die schaumige Sensation

Für den ein oder ande­ren mag es sich eklig anhö­ren, aber in vie­le Cock­tails gehört ein­fach ein fri­sches Eiklar hin­ein. Drinks wie die White Lady oder der Whis­key Sour pro­fi­tie­ren enorm von der wei­chen Tex­tur, die Eiklar erzeugt. Ein Ramoz Gin Fizz oder ein Absin­the Suis­ses­se funk­tio­nie­ren erst gar­nicht ohne.

Die Pro­te­ine im Eiklar wir­ken als Emul­ga­tor und ver­bin­det ansons­ten schlecht misch­ba­re Zuta­ten, wie z. B. Sah­ne und Zitrus-Säf­te. Aus­ser­dem bin­den sich dadurch beim kräf­ti­gen Schüt­teln Luft­bläs­chen im Cock­tail. Der Drink erhält eine sei­di­ge Tex­tur und bekommt eine wun­der­schö­ne Schaum­kro­ne. Er wird fro­thy.

Aquafaba als vegane Alternative

Immer mehr Men­schen ernäh­ren sich vegan. Da fin­de ich es ganz inter­es­sant, dass es auch eine pflanz­li­che Eiweiß­quel­le gibt, mit der man Cock­tails die nöti­ge Tex­tur ver­lei­hen kann. Aquafa­ba, im Grun­de genom­men der Koch­sud ver­schie­de­ner Hül­sen­früch­te, ver­hält sich im Drink ganz ähn­lich wie Eiklar und kann genau­so dosiert wer­den. Käuf­lich erhält­li­che Vari­an­ten gibt es im Reform­haus oder im Internet.

Alter­na­tiv kann man auch Aquafa­ba selbst her­stel­len, indem mal ein­ge­weich­te Kicher­erb­sen ein bis zwei Stun­den in reich­lich Was­ser kocht und die Mix­tur über Nacht in den Kühl­schrank stellt. Am nächs­ten Tag seiht man die Kicher­erb­sen ab und hat das fer­ti­ge Produkt.

Dry Shake

Der gro­ße Nach­teil bei der Ver­wen­dung von Eiweiß im Cock­tail ist die Not­we­nig­keit, ihn ein­mal ohne und ein­mal mit Eis zu schüt­teln. Das liegt dar­an, dass die Eis­wür­fel im Shaker die Bil­dung des Schau­mes erschweren.

Beim nor­ma­len Dry Shake wird der Cock­tail des­we­gen zuerst ohne Eis, dafür aber idea­ler­wei­se mit einem Mixing Ball, geschüt­telt. Man kann aber auch ein­fach die Feder eines Bar­sie­bes ver­wen­den. Anschlie­ßend wird der Mixing Ball bzw. die Feder durch das Eis ersetzt und der Drink kaltgeschüttelt.

Bei die­ser Tech­nik muss beim Ein­gie­ßen des Cock­tails unter Zunah­me eines fei­nen Sie­bes dop­pelt abge­seiht wer­den, um die fei­nen Eis­split­ter zurück­zu­hal­ten, die beim Schüt­teln entstehen.

Der Rever­se Dry Shake ist noch etwas umständ­li­cher, lohnt sich aber. Hier wer­den zuerst alle Zuta­ten ohne das Eiklar, aber mit Eis geschüt­telt. Anschlie­ßend wird der Drink dop­pelt in die zwei­te Hälf­te des Shakers abge­seiht. Man gibt das Eiklar bzw. Aquafa­ba sowie den Mixing Ball bzw. die Feder hin­ein und schüt­telt kräf­tig. Nun reicht es, den Drink ein­fach ins Glas abzuseihen.

Durch den, im Ver­gleich zum Dry Shake, umge­kehr­ten Pro­zess erhält man noch mehr Schaum, weil die­ser nicht durch im Shaker umher­flie­gen­de Eis­stück­chen zer­stört wird.

Cocktails

Mit Eiweiß las­sen sich ein paar der her­vor­ra­gen­des­ten Cock­tails mixen, die ich ken­ne. Wer erst ein­mal einen pro­biert hat und ver­steht, wie Pro­te­ine in Cock­tails funk­tio­nie­ren, wird begeis­tert sein. Hier nun ein klei­ne Aus­wahl für alle Experimentierfreudigen.

White Lady

Die White Lady wur­de von Har­ry MacEl­ho­ne in Harry’s New York Bar in Paris erschaf­fen. Der Drink schaff­te es in die Erst­aus­ga­be von Har­ry Craddock’s Savoy Cock­tail Book. Bei­de Bar­kee­per mix­ten den Drink noch ohne Eiweißkomponente.

Kurz nach Ver­öf­fent­li­chung des Buches im Jahr 1930 tauch­ten die ers­ten Rezep­te mit Eiklar auf. Und weil das so her­vor­ra­gend in die­sem Drink funk­tio­niert, ist es bis heu­te der Standard.

  • 5 cl Gin, z. B. Beefeater
  • 2,5 cl Cointreau
  • 2,5 cl Zitronensaft
  • 1 Eiklar

Alle Zuta­ten wie oben beschrie­ben zuerst ohne Eis, aber mit Mixing Ball oder Bar­sieb-Feder, dann mit Eis schüt­teln. Für mehr Schaum emp­fielt sich ein Rever­se Dry Shake. In ein vor­ge­kühl­tes Cou­pet­te-Glas (dop­pelt) abseihen.

Whiskey Sour

Die­ser klas­si­sche Sour erhält durch das Eiklar eine run­de, dich­te Aro­ma­tik und eine sam­ti­ge, fast kör­ni­ge Tex­tur, die man ein­mal erlebt haben soll­te. Ein Whis­key Sour mit Ei wird übri­gens auch oft Bos­ton Sour genannt.

  • 4,5 cl Bour­bon, z. B. Jim Beam Dou­ble Oak
  • 1,5 cl Zuckersirup
  • 3 cl Zitronensaft
  • 1 Eiklar
  • Aro­ma­tic Bit­ters als Gar­nie­rung, z. B. von The Bit­ter Truth

Alle Zuta­ten bis auf die Bit­ters wie oben beschrie­ben zuerst ohne Eis, aber mit Mixing Ball oder Bar­sieb-Feder, dann mit Eis schüt­teln. Auch hier emp­fielt sich alter­na­tiv der Rever­se Dry Shake. In ein vor­ge­kühl­tes Cou­pet­te-Glas (dop­pelt) absei­hen und mit ein paar Trop­fen Aro­ma­tic Bit­ters garnieren.

Es exis­tie­ren Rezep­te, die in einem Dou­ble-Old-Fashio­ned-Glas mit Eis, Oran­gen­spal­te und Mara­schi­no­kir­sche ange­rich­tet wer­den. Ich fin­de aber oben­ste­hen­de Vari­an­te eleganter.

Schwarzwälder Kirsch

In die­ser Eigen­krea­ti­on über­nimmt Eiweiß nur die Rol­le des Emul­ga­tors, der den trü­ben Mozart-Likör mit den rest­li­chen Zuta­ten ver­bin­det. Ein Dry Shake ist nicht nötig.

Der Cock­tails erin­nert tat­säch­lich sehr stark an ein Stück Schwarz­wäl­der Kirsch­tor­te und eigent sich per­fekt als Abschluss einer lecke­ren Mahl­zeit. Eben ein klas­si­scher After Din­ner Cock­tail.

  • 6 cl Bour­bon, am bes­ten Makers Mark
  • 2 cl Mozart Chocolate-Cream-Likör
  • 1,5 cl Crè­me de Cacao, weiß
  • 1½ Bar­löf­fel Vanil­le­si­rup, selbst­ge­macht oder z. B. von Monin
  • 3 Sprit­zer Cho­co­la­te Bit­ters, z. B. von The Bit­ter Truth
  • ½ Eiklar
  • 1 Mara­schi­no- oder Amarenakirsche

Alle Zuta­ten außer der Kir­sche mit Eis kräf­tig schüt­teln. In ein vor­ge­kühl­tes, mit zer­sto­ße­nem Eis gefüll­tes Dou­ble-Old-Fashio­ned-Glas dop­pelt absei­hen. Mit einem Stroh­halm, der Kir­sche und, falls gewünscht, etwas gerie­be­ner Scho­ko­la­de, garnieren.

Almond Gin Fizz

Die Kom­bi­na­ti­on aus Veil­chen­li­kör, Kar­da­mom und Man­del­si­rup machen die­sen Cock­tail zu Erlebnis.

→ zum Rezept für den Almond Gin Fizz

Ramos Gin Fizz

Der Ramos Gin Fizz gilt als der König der Cock­tails mit Eiklar. Auch wenn man hier noch etwas län­ger schüt­teln muss, emp­feh­le ich jedem, ihn mal auszuprobieren.

→ zum Ramos Gin Fizz

 

Jeder soll­te für sich selbst ent­schei­den, ob er für die­se Cock­tails auf ech­tes Eiklar in fri­scher oder pas­teu­ri­sier­ter Form oder auf die vega­ne Alter­na­ti­ve Aquafa­ba zurück­grei­fen möch­te. Wich­tig ist: Pro­biert sie aus! Es lohnt sich.

 


Foto: Nico­lai Brunn

André Körner

Seit 2016 beschäftige ich mich intensiv mit hochwertigen Spirituosen und deren Verwendung in Cocktails und Drinks aller Art. Ich sammle, teste und optimiere Cocktailrezepte und habe The Shark Creek Magazine gegründet, um andere daran teilhaben zu lassen.

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